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Samstag, 26. Mai 2012

Meine Nazis - 2.Teil


Durch meine frühen Erlebnisse mit Nazis, ich nenne Sie mal Altnazis zur Unterscheidung von Neonazis, konnte ich mir nicht vorstellen, dass diese Einstellung für irgend einen klar denkenden Menschen attraktiv sein konnte. Eingebettet in meine links-alternative Community in der ich nach meinem schwulen Coming Out nach 1970 eine, nicht nur politische, Heimat fand, konnte ich mir nicht vorstellen, dass die Altnazis noch lange leben und wirken würden oder dass es Neunazis bzw. Neonazis gibt, die ihre traurige Tradition weiterleben ließen. Auf einer damaligen Tramp-Tour wurde ich dann eines Besseren belehrt.
Im Alter von 19 Jahren und als Mitbegründer der ersten Schwulengruppe Heidelbergs, wollte ich per Anhalter nach Hamburg. Meine Mitfahrgelegenheit setzte mich in Hannover ab, so dass ich in einer dortigen Schwulenkneipe, mit zugehöriger Sauna, namens Vulkan landete. Als junger, ich denke mal auch gut aussehender, schwuler Mann musste man sich um Übernachtungsgelegenheiten in dieser Zeit kaum Sorgen machen. Im Gegenteil man konnte sogar meist aus mehreren Möglichkeiten mit oder ohne "One Night Stand" auswählen. So erspähte ich im Vulkan einen unverschämt gut aussehenden Mann von Mitte Zwanzig an der Bar dieses Lokals. Ein kleiner beabsichtigt-unbeabsichtigter Rempler beim Getränkekauf an der Theke bot mir Gelegenheit mit ihm in Kontakt zu kommen. Die Entschuldigung meinerseits, verbunden mit einer kurzen Vorstellung brachte uns ins Gespräch. Bald darauf waren sich "Herbert aus Heidelberg" und "Jürgen aus Hannover" einig, dass sie die Nacht gemeinsam in der, in der Nähe gelegenen, Wohnung von Jürgen verbringen wollten. Die Stiefelkollektion und die Accessoires aus Militärbeständen, die er mir zeigte, waren für mich nicht ungewöhnlich, da auch linke Studenten in Heidelberg und anderorts gerne und oft preiswert erhältliche Restbestände der Bundeswehr und der US-Army auftrugen. Ein gewisser Fetisch-Reiz dieser Kleidungsstücke war auch in schwul-alternativen Kreisen nicht unbekannt. So verbrachte ich eine Nacht mit Jürgen aus Hannover, die ich noch heute in guter Erinnerung habe.

Filmzusammenschnitt über "schwule Nazis"

Am nächsten Morgen ging Jürgen Brötchen holen, während ich den Kaffee aufbrühte und den richtigen Zeitpunkt für die Frühstückseier abwartete. Bei seiner Rückkehr hatte Jürgen außer Brötchen und Marmelade noch die BILD-Zeitung unter dem Arm. In der Zeit von "Enteignet Springer" und Demonstrationen gegen dieses Verlagshaus war es nicht üblich, dass man sich in meinem Freundeskreis dieses Blatt kaufte. Meine Verwunderung diesbezüglich und die Frage, was er denn sonst noch so lese, führte zu seiner Küchenbank mit Stauraum unter der Sitzfläche, in der er einen großen Stapel der "Nationalzeitung" aufbewahrte. Nun erst fragte ich ihn nach seinem Nachnamen. Es handelte sich um Jürgen Neumann. Dieser Name war mir allerdings bekannt.
Als sich damals nach 1969 und nach der Liberalisierung des § 175 im gesamten Bundesgebiet Schwulengruppen gründeten, gab es außer Gruppen am linken Spektrum eine bundesweit bekannte Gruppe aus dem Rechts-Konservativen Lager, die sich Deutsche Homophilen Organisation (DHO) nannte. Keiner wusste wer hinter dieser Gruppe steckte und wer dort Mitglied war. Der einzig bekannte Name dieses Vereins war der des "Vorsitzenden" Jürgen Neumann. Beim Frühstück erfuhr ich noch, dass bei "Jürgen" Stricher aus Hannover ein und aus gingen und dass er einige großzügige, meist ältere Herren kannte, deren Namen nicht genannt werden durften, welche seine DHO-Gruppe finanziell unterstützten.
Als ich nach meinem kurzen Besuch in Hannover und Hamburg zurück nach Heidelberg kam, war das Entsetzen meiner schwulen, wie gesagt eher links orientierten, Freunde bei der Schwulengruppe "Homo Heidelbergensis" groß. Man konnte diesen Kontakt nicht gut heißen, war aber trotzdem sehr an Details interessiert. Jürgen Neumann war damals nicht nur ein berüchtigter Aktivist der rechten Szene, sondern auch mehr als einmal in diversen Schwulenzeitschriften als Fotomodell abgelichtet. Viele Jahre später tauchte Jürgen Neumann als, mittlerweile etwas aus der Form geratener, Journalist der kostenlosen Schwulenzeitschrift "First" wieder auf. Er kritisierte mich und meine politischen Aktivitäten im Zusammenhang mit meinem Bundestagsmandat und später, vermutlich ohne sich an diese Nacht in Hannover zu erinnern.
Als Wachmann, ehemaliges NPD-Mitglied und DHO-Vorsitzender findet Jürgen Neumann auch in folgender interessanten Arbeit zu schwulen Neonazis von Dr. Gottfried Lorenz kurz Erwähnung:

Schwule Rechtsradikale in Hamburg – Teil der Community?

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