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Montag, 19. Januar 2009

CSD: Wie die Heteros?

Mittlerweile wird Anpassung und Gleichschaltung der Schwulen und Lesben (die eigentlich ganz andere Probleme haben als die Schwulen) mit der heterosexuellen Mehrheit so selbstverständlich als Gleichberechtigung und Emanzipation verkauft, dass es einem fast gar nicht mehr auffällt.

So ist in einem ersten Aufruf zum CSD in Stuttgart zu lesen:

"Aber auch heute, genau 40 Jahre nach den „Stonewall Inn“-Revolten, steht es noch immer nicht in allen Bereichen zum Besten mit der gesellschaftlichen und politischen Akzeptanz von Lesben und Schwulen."


Wird das nun den Schwulen selbst, der dummen, dummen Gesellschaft oder gar der bösen CDU und anderen rückständigen Teilen der Gesellschaft vorgehalten?
Situationsanalyse die wirklich auf die Ursachen zurückfindet und die Zusammenhänge versteht, ist so einfach nicht. So bekommt man bei dem Lamento der Veranstalter auch den Eindruck, dass es sich um ein Naturereignis handelt, gegen dessen Ablauf man eigentlich nichts weiter unternehmen kann, als mit entblößtem Oberkörper auf einem CSD Wagen durch die Stuttgarter Innenstadt zu fahren.

So heißt es weiter in diesem Aufruf:

"Familie findet nach dem Willen vieler konservativer Kreise auch heute noch ohne homosexuelle Menschen statt. Denn: Adoption wird Lesben und Schwulen auch 2009 größtenteils verwehrt."

Familie, so wie ich sie verstehe, ist keine Veranstaltung zu der man eingeladen wird oder nicht. Sie ist etwas das man in seinem eigenen Leben gestalten kann oder nicht. Schon die schwulen Pop-Iconen Sister Sledge haben es 1979 mit ihrer profanen Botschaft "We are family" besser auf den Punkt gebracht als diese gebetsmühlenartig wiederholten Forderungen nach mehr Heteronorm für Schwule.

Weiter unten im Text bekommt man den Eindruck, man hätte bereits einmal im schwulen Paradies gelebt und ist mittlerweile wieder daraus verstoßen:

"Kein Wunder, dass „schwul“ mittlerweile wieder das Schimpfwort Nummer eins an deutschen Schulen ist"

Nun bin ich vermutlich ein paar Tage älter als die Veranstalter und frage mich: war es das zu irgendeiner Zeit mal nicht?

Ich könnte jeden einzelnen Satz dieses Aufrufs kommentieren, möchte aber nicht damit langweilen und nehme das bisher kommentierte als exemplarisch. Viel Neues kommt ja eh in diesem Aufruf nicht mehr und meine Bemerkungen würden sich ähneln.

Die Veranstaltungslosung in diesem Jahr heißt "Macht Mut" und folgende Erklärung dieses Losungssatzes wirft für mich abschließende Fragen auf:

"macht Mut! ist dabei Projektionsfläche für vieles: die Dynamik, die aus dem CSD selbst und der damit verbundenen Aufmerksamkeit für homosexuelle Probleme erwächst; die bisher erreichten Erfolge eines 40 Jahre andauernden Kampfes um Gleichberechtigung; aber auch den immer noch vorhandenen Drang nach weiteren Veränderungen in Gesellschaft und Politik, wenn es um schwule oder lesbische Lebensformen geht."

Wir (die Schwulen) waren in unserem politischen Bestreben schon einmal so weit zu erkennen, dass es einer Aufmerksamkeit für heterosexuelle Probleme bedarf und nicht umgekehrt. In dem Motto "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt" wurde das schon deutlich. Die Aufgabe unserer Aktionen war es dafür ein Bewusstsein zu schaffen (vor allem bei uns selbst) anstatt für Mitleid und Verständnis für uns "arme" Homosexuelle zu werben. Eine Gleichberechtigung im Sinne einer Heterosexualisierung der Schwulen erschien uns zu abstrus um überhaupt Gedanken daran zu verschwenden.

Schließlich musste ich nicht erst Buddhist werden um zu realisieren, dass ich mich und meine Lebensumstände nur selbst ändern kann. Verstehe und akzeptiere ich mich selbst und verändere mich so gut ich kann, nur dann bin ich den ersten wesentlichen Schritt gegangen.

Diese ständig ungehört verhallenden Apelle an Gesellschaft, Politik, Religion und sonstige Gespinster sind nutzlos.

Es ist oft genug nur die Weigerung an sich selbst zu arbeiten indem man lernt sich selbst zu akzeptieren und zu verändern. Veränderung von außen einzufordern ist ja auch einfacher. Das darauf folgende Jammern über die böse intolerante Welt ist eine logische Folge und Teil dieser Art des Handelns.

Link zur Veranstaltung

1 Kommentar:

die.tipse hat gesagt…

lieber herbert,

das ist eine sehr erfrischende analyseschrift, sehr auf den punkt konzentriert und subtil mit genügend witz gekoppelt, so dass das lesen nicht nur öffnet, sondern auch amüsiert. danke dafür!

luxuriöserweise haben wir ja in kreuzberg den alternativen csd. hier konzentriert sich die anti-karnevalisterie schon seit jahren eher um interessantere beiträge zur allgemeinen gesellschaft, wie z.b. geschlechterrollen und die frage des geschlechtes an sich und der vielen möglichkeiten, sich selbst zu verorten. genau hier kann die schwullesbitranssexuelle gemeinschaft (christlich aka "leidensbrüder&schwestern:-) interessante blickwinkel öffnen und schafft horizonterweiterungen für jedermannfrau. mein beitrag für den csd 07 war die frage: "macht macht mich männlich". ob das so ist, kann man auf dem myspace-profil selbst klären: http://profile.myspace.com/index.cfm?fuseaction=user.viewprofile&friendid=193686181

ich freu mich auf weitere schriften von dir, lieber herbert und verbleibe mit sonnigen grüssen aus krüzbük

jan